Auch der unbescholtene Bürger bekommt im Laufe seines Lebens einmal Probleme mit der Polizei. Die Aufforderung, zur Vernehmung zu erscheinen, empfindet er/sie dann bereits als ehrenrührig, insbesondere dann, wenn er/sie sich keiner Schuld bewusst ist. Ich soll jemanden beleidigt oder soll einen Verkehrsunfall verursacht haben und dann weiter gefahren sein, ohne anzuhalten usw. Und überhaupt, da kann einfach einer sagen, dass ich das war und die Polizei glaubt ihm sofort und bestellt mich ein. Ist das eigentlich zulässig?

Nun, die Polizei glaubt nicht, sondern sie ermittelt. Als Ermittlungsbehörde ist sie Pfeiler der Rechtsordnung. Sie hat es jetzt mit einem Anfangsverdacht zu tun, der schon deshalb besteht, weil es einen sog. Anzeigenerstatter (Strafantragsteller) gibt, der einen Anderen bezichtigt, eine Straftat begangen zu haben. Der Schutz der Rechtsordnung gebietet zunächst, dass dem nachgegangen wird und dass sich die Polizei eben nicht aussuchen kann, ob sie dem Antragsteller glaubt oder nicht. Man stelle sich die Situation einmal aus Sicht des Antragstellers vor, der von der Polizei mit der Bemerkung abgewiesen wird, er erfinde da etwas, also er lüge. Bei z.B. schwerer Kriminalität oder bei Sexualstraftaten wäre das nicht auszudenken.

Die Polizei leitet lediglich das Ermittlungsverfahren ein, was jedoch noch lange keine Verurteilung oder Vorverurteilung ist, wie mancher meint. Dabei wird letztlich auch ganz zwangläufig der böswillige Antragsteller herausgefiltert. Sein Verhalten ist dann seinerseits strafrechtlich relevant und wird verfolgt, wenn der Betroffene wiederum Strafantrag stellt.

Die Fälle, in denen es sich um eine offensichtliche Falschanzeige handelt, dürften in der Praxis eher selten vorkommen. Meist gibt es einen tatsächlichen Bezugspunkt und der Antragsteller meint, dass strafbares Verhalten vorliegt. Er schildert bei der Polizei einen Sachverhalt aus seiner Sicht und die entgegennehmenden Beamten haben zunächst keinen Anlass anzunehmen, dass die ganze Sache erfunden ist, wenn sie denn hinreichend schlüssig dargetan wird. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn Erzählbrüche vorliegen, der Antragsteller offensichtlich verwirrt ist oder der Beschuldigte amtsbekannt zum Tatzeitpunkt gar nicht zu gegen war.

Ob der Betroffene dazu etwas aussagt, sollte er nicht ohne rechtlichen Rat entscheiden. Emotionales Aufbrausen, der sofortige Griff zum Telefon, um die Polizei anzurufen und „Einiges klarzustellen“ sind da genau so wenig am Platz, wie der allgemein verfestigte Glaube, dass ein Schweigen zum Vorwurf schon ein Schuldeingeständnis ist. Die Strafprozessordnung erlaubt dem Beschuldigten, sich zur Sache nicht äußern zu wollen. Das gilt für jede Phase des Verfahrens, also auch bereits für die Ermittlungsstufe.

Auch das ist ein hohes Rechtsgut in demokratischen Systemen, wie dem deutschen und keinesfalls selbstverständlich. Kein Beschuldigter darf benachteiligt werden, wenn er zur Sache schweigt. Die Polizei ist verpflichtet, den Betroffenen darauf hinzuweisen. Sie tut das regelmäßig, indem sie ihm bei Beginn der Vernehmung eine gesonderte Belehrung erteilt und sich diese auch unterzeichnen lässt. Tut sie das ausnahmsweise einmal nicht, liegt ein Verwertungsverbot für die Äußerung des Beschuldigten in der Sache vor.

Es ist dem Beschuldigten anzuraten, dass er bei Empfang einer Vorladung zunächst Rechtsrat einholt, bevor er mit der Polizei redet. Auch dortige neue Terminabsprachen als „Zeichen des guten Willens“ haben noch Zeit genug.

Die Besprechung mit einem Verteidiger ist vertraulich. Der Inhalt gelangt zu keiner Zeit in die Ermittlungsakten. Die Beratung ergibt in den überwiegenden Fällen, dass ein Aussage (Einlassung zur Sache genannt), wenn überhaupt, nicht vor Einsicht in die Akten erfolgen wird.

Die Ermittlungsakten erhält der Verteidiger regelmäßig erst von der Staatsanwaltschaft, nachdem diese von der Polizei dorthin abgegeben worden sind. Bis dahin sollte man Ruhe bewahren. Mitunter gelangt die Staatsanwaltschaft bereits bei Aktenlage zu der Entscheidung, das Verfahren einzustellen. Das Vorpreschen mancher Betroffenen („das muss doch mal gesagt werden“) birgt nämlich auch die Gefahr, dass damit erst der Sachverhalt schlüssig gemacht wird.

Wie geht man nun mit der Vorladung um?

Es reicht also zunächst aus, wenn der Betroffene kurz schriftlich auf die Vorladung reagiert und dort nichts weiter erklärt, als dass er sich zur Sache vorerst nicht einlassen wird und aus diesem Grunde nicht zur Vernehmung erscheint. Daraus erwachsen ihm keine Nachteile. Er kann dann umgehend einen Verteidiger kontaktieren, der mit ihm die Strategie bespricht.

P. Supranowitz, RA