Allzu häufig suchen Arbeitnehmer bei uns den Rechtsrat, wenn sie eine Abmahnung vom Arbeitgeber bekommen haben. Die Verärgerung über ein angebliches Fehlverhalten, dass ihnen der Arbeitgeber vorwirft, ist so groß, dass dagegen sofort etwas unternommen werden soll. Natürlich ist eine Abmahnung im Wege der Klage vor dem Arbeitsgericht angreifbar. Ob das allerdings sinnvoll ist, wird auf den ersten, vom Ärger getrübten Blick nicht gleich deutlich. Hierzu folgende Hinweise.

 

1.

 

Zunächst ist nicht alles, was ein Arbeitgeber an Kritik dem Arbeitnehmer gegenüber übt, von vornherein falsch oder gar unberechtigt. Der Arbeitgeber hat sehr wohl das Recht, den Arbeitnehmer auf Missstände in einem Vertragsverhältnis hinzuweisen. Irgendetwas läuft nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Das wird er zum Ausdruck bringen und/oder die Arbeit des Arbeitnehmers auch kontrollieren dürfen. Der Begriff Mobbing ist da übrigens völlig fehl am Platze.

 

Wer als Arbeitnehmer glaubt, derartiges stehe dem Arbeitgeber nicht zu, liegt falsch. Immerhin ist die Abmahnung in einem gegenseitigen Vertrag, der ein Arbeitsverhältnis nun einmal darstellt das probate erzieherische Mittel der abgemahnten Seite darzulegen, dass sie ihr Verhalten ändern möge. Das scheint auch sinnvoll, denn was soll der abmahnende Arbeitgeber denn anderes tun, um nicht gleich kündigen zu müssen.

 

2.

 

Die Anforderungen an eine Abmahnung sind eigentlich nicht hoch. Trotzdem genügen viele Abmahnungsschreiben nicht den Erfordernissen, die sie überhaupt erst zu einer wirksamen Abmahnung machen würden.

 

  1. Zunächst ist dem Arbeitnehmer ein konkreter Vorwurf über eine Vertragsverletzung oder Weisungsverletzung zu machen. Allgemeine Behauptungen über „ständige Pflichtverletzungen“ oder „Störung des Betriebsfriedens“ sind unzureichend. Wann hat der betreffende Mitarbeiter, wie und welche Pflichtverletzung begangen, ist nur darstellbar, wenn es ein konkretes Ereignis gegeben hat und somit ist dieses auch exakt zu schildern. Das gilt übrigens auch für Handlungen des Abgemahnten im Vertrauensbereich, also bei Verbalattacken, sittlichen Verfehlungen oder spürbaren Arbeitsverzögerungen.
  2. Der Arbeitgeber muss auch deutlich darlegen, dass ihm das Verhalten des Arbeitnehmers missfällt und er ein solches zukünftig nicht mehr hinnehmen wird.
  3. Schließlich muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klarmachen, dass sein Arbeitsverhältnis in Gefahr ist. Der Hinweis, dass im Wiederholungsfalle dieses gekündigt werde, ist daher genauso unabdingbar in einem Abmahnungsschreiben zu verankern, wenn sich der Arbeitgeber dann im Falle der Wiederholung des Fehlverhaltens auf die (dann erfolglose) Abmahnung bei der Kündigung berufen möchte.

 

Dies alles wird der Arbeitnehmer bei Erhalt einer  Abmahnung mit solchem Inhalt als Paukenschlag großer Unhöflichkeit ihm gegenüber empfinden. Dies ist es aber nur, wenn der Vorwurf in der Abmahnung nicht stimmt. Trifft der Vorwurf zu, handelt es sich um eine formell ordentlich verfasste Abmahnung und der Arbeitgeber ist gut beraten, vor Anrufung des Amtsgerichtes darüber gründlich nachzudenken.

 

Überlegungen darüber, ob man wegen einer  „Kleinigkeit“ überhaupt abgemahnt werden kann oder ob der Arbeitgeber das alles auch hätte anders sehen können und schließlich darüber, warum er den Betroffenen abmahnt und andere Arbeitnehmer in gleichen oder ähnlichen Fällen nicht, führen regelmäßig zu nichts. Sie haben auch nichts mit der dann immer beschworenen Gleichbehandlung zu tun.

 

Führt der Arbeitnehmer den Prozess gegen die Abmahnung, so kann ihm an dessen Ende nämlich geschehen, dass er die Gründe, die zur Abmahnung geführt haben dann sozusagen mit richterlicher Unterschrift verfestigt und die Abmahnung überhaupt erst schlüssig macht. Man stelle sich vor, wie das Arbeitsgericht mit einer auf dieser Abmahnung beruhenden Kündigung bei Wiederholung des Fehlverhaltens dann im Kündigungsschutzprozess umgehen wird.

 

3.

 

Gegen die Abmahnung ist Klage vor dem Arbeitsgericht möglich. In manchen Tarifverträgen ist eine Schlichtung zwischen den Parteien vorgesehen. Sie ist dann sog. vorgeschaltete Instanz. Wird sie nicht beschritten, ist die Klage unzulässig und wird ohne inhaltliche Prüfung der Abmahnung abgewiesen.

 

Erreichen kann der Abgemahnte vor dem Arbeitsgericht aber nicht verbriefte Arbeitgeberschelte, sondern lediglich die Feststellung, dass die Abmahnung unwirksam ist und/oder die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Entgegen der hartnäckigen Meinung vieler Rechtssuchenden gibt es keine Klagefrist für einen solchen Prozess. Der Arbeitnehmer kann sich in einem Kündigungsschutzprozess, in welchem sich der Arbeitgeber auf die alte Abmahnung beruft immer noch damit wehren, dass es die Gründe für eine Abmahnung seinerzeit gar nicht gab. Dazu müsste er dann allerdings vortragen, was tatsächlich geschah, sich also mit nachvollziehbaren Argumenten gegen die Abmahnung entlasten. Die pauschale Behauptung, die Abmahnung sei seinerzeit fälschlich ergangen, reicht nicht aus.

 

4.

 

Im Übrigen gilt in der Rechtsprechung auch, dass die Berufung des Arbeitgebers auf eine Abmahnung immer schwächer gewertet wird, je weiter diese von der Kündigungserklärung entfernt liegt. Nach einem Jahr braucht der Arbeitgeber schon triftige Gründe, sich mit Erfolg auf eine so alte Abmahnung zu berufen, nach zwei Jahren wird es wohl aussichtslos sein. Immerhin haben die vergangenen zwei Jahre gezeigt, dass es keine Störung im Arbeitsverhältnis gab, der Arbeitnehmer hat sich quasi bewährt. Konsequenz einer solchen Bewährung ist, dass das Arbeitsverhältnis wieder auf den Modus „unbelastet“ gestellt wird. Dies geschieht regelmäßig mit der Herausnahme der Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch besteht.

 

5.

 

Letztlich noch folgender Hinweis. Eine Abmahnung „erlischt“ nicht automatisch nach zwei Jahren, genauso wenig „verschwindet“ sie nach dieser Zeit allein aus der Personalakte. Die Zahl der verständigen und vorbildlich arbeitenden Arbeitgeber sinkt. Außerdem ist es mitunter nicht zu verdenken, wenn die Angelegenheit bei nachfolgender Störungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses aus dem Gedächtnis des Arbeitgebers raus ist. Der Arbeitnehmer ist daher gut beraten, die Sache beim Arbeitgeber noch einmal zur Sprache zu bringen und die Herausnahme zu verlangen. Der Arbeitgeber hat die Herausnahme auf Verlangen zu bescheinigen. Auch  solche Handlungen des Arbeitgebers sind beim Arbeitsgericht einklagbar.

 

 

Fazit:

 

Nach Erhalt einer Abmahnung sollten Sie als Arbeitnehmer zunächst eine gewisse Zeit verstreichen lassen und diese auch dafür nutzen über die in der Abmahnung vorgeworfenen Umstände nachzudenken. Sollten Sie danach zu dem Schluss kommen, dass die Vorwürfe weiterhin unberechtigt erscheinen, empfiehlt sich zunächst ein Gespräch mit dem Arbeitgeber hierüber. Da gerichtliche Verfahren das Verhältnis zum Arbeitgeber in der Regel nicht verbessern sollte erst dann sollte der Gang zum Gericht in Erwägung gezogen werden.

 

Daneben besteht generell die Möglichkeit sich zunächst jederzeit anwaltlich beraten zu lassen, ohne dass der Arbeitgeber hiervon „Wind bekommt“.

RA Peter Supranowitz